Die Gesundheit fliegt mit : die Medicals/Checks der PilotInnen

Pilotinnen und Piloten müssen regelmässig zur fliegerärztlichen Untersuchung, auch Medical genannt. Was genau wird beim Medical getestet und wie läuft dieser Check ab? Die Reportage aus Balzers.
Der Himmel ist grau und wolkenverhangen. Das Geräusch der Rotorenblätter hallt durch die Luft. Wir sind auf dem Heliport Balzers und treffen Eric Abgottspon, Helikopterpilot der AAA Alpine Air Ambulance. Der 35-jährige Berufspilot strahlt und sieht fit aus. Das muss er auch sein. Die Luftfahrt stellt hohe Anforderungen an die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Luftverkehrs. Piloten spielen dabei eine entscheidende Rolle, denn sie sind nicht nur für die Steuerung des Flugzeugs verantwortlich, sondern müssen auch auf unvorhergesehene Situationen angemessen reagieren können.
Um dies zu gewährleisten, müssen sich Pilotinnen und Piloten regelmässig ärztlich untersuchen lassen, um ihre physische und psychische Flugtauglichkeit nachzuweisen. Für Berufspilot Eric Abgottspon steht im November die nächste fliegerärztliche Untersuchung an. Abgottspon erklärt den Ablauf: «Die jährlichen Medicals dauern eine bis zwei Stunden. Bei der allgemeinen Gesundheitsuntersuchung werden körperliche Parameter wie Blutdruck, Herzfrequenz, Seh- und Hörvermögen überprüft. Blut- und Urinuntersuchungen werden durchgeführt. Der Sehtest wird separat bei einem dafür vorgesehenen Augenarzt oder Optiker vorgenommen“.
Mit diesen Untersuchungen, auch Medicals genannt, weisen Pilotinnen und Piloten ihre Flugtauglichkeit nach. Je nachdem, ob es sich um Berufs- oder Privatpiloten handelt, unterscheiden sich die Untersuchungen und deren Häufigkeit.
Die Medicals werden in der Schweiz vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) geregelt. Professor Dr. Reto Stocker, verantwortlich für Lehre und Forschung der Hirslanden Klinik Gruppe und Chefarzt der AAA Alpine Air Ambulance, erklärt die Notwendigkeit der Checks:
«Da ein Pilot nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Mitreisenden und die Bevölkerung am Boden verantwortlich ist, sind die Anforderungen natürlich hoch. Ein Pilot muss im umfassenden Sinne gesund sein (körperlich, geistig/seelisch und psychisch inkl. Stressbewältigung). Insbesondere müssen Krankheiten/Konditionen ausgeschlossen sein, die das sichere Führen eines Luftfahrzeuges tatsächlich, aber auch potenziell beeinträchtigen können. Hierzu zählen Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, des neurologischen Systems, des sogenannten endokrinen Systems (z.B. Diabetes), Störungen der Funktion der Sinnesorgane sowie Störungen der Blutbildung und Blutgerinnung. Selbstverständlich darf auch keine Suchterkrankung, kein Medikamenten- oder Betäubungsmittelmissbrauch vorliegen.»
Pilot Eric Abgottspon sieht dem Medical jeweils entspannt entgegen. Er kennt das Prozedere. Doch bei seiner allerersten Untersuchung, der Tauglichkeitsuntersuchung, war er rückblickend schon etwas nervös: „So wie andere Kinder Baggerfahrer werden wollen, war für mich immer klar, dass ich einmal Pilot werden möchte.“ Und wenn er den Eignungstest nicht bestanden hätte? “Dann wäre ich eben Lokführer geworden“, lacht er. Man merkt schnell: Abgottspon nimmt vieles mit Humor und lässt sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Gelassenheit ist eine Eigenschaft, die ihm beim Fliegen hilft. Und seine Selbsteinschätzung. "Wenn es sein muss, fliege ich lieber einen Umweg.“
Vorschriften der EASA
Wie eingangs erwähnt, müssen Pilotinnen und Piloten nicht nur körperlich fit, sondern auch mental stark sein. Seit Februar 2021 müssen sich Piloten nach den Vorschriften der europäischen Flugsicherheitsbehörde EASA auch regelmässig psychologischen Tests unterziehen. Diese Vorschrift wurde nach dem tragischen Germanwings-Absturz im März 2015 eingeführt. Alle Pilotinnen und Piloten, die in der Berufsluftfahrt tätig sind, müssen sich vor ihrem ersten Einsatz bei einem Unternehmen einem psychologischen Assessment unterziehen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Pilotinnen und Piloten in der Lage sind, mit Stress und unerwarteten Situationen umzugehen.
Auch die Häufigkeit der Untersuchungen ist sehr wichtig, wie der Mediziner Professor Reto Stocker erklärt:
«Es können im Laufe der Zeit Erkrankungen auftreten, die vom Betroffenen (noch) nicht bemerkt wurden, die aber das Führen eines Luftfahrzeuges akut beeinträchtigen können. Solche Erkrankungen werden in der Regel bei der Untersuchung (Befragung, körperliche Untersuchung, Laboruntersuchung, evtl. bildgebende Verfahren) entdeckt und können dann behandelt werden bzw. die Tätigkeit als Pilot einschränken oder gar verhindern. Dazu gehören u.a. koronare Herzerkrankung, neu aufgetretener Diabetes, Hirntumor, psychiatrische Störungen, geistige/kognitive Einschränkungen etc.
Das Alter fliegt mit
Mit zunehmendem Alter nimmt die körperliche Leistungsfähigkeit ab. Das ist eine Tatsache. Auch die für das Fliegen notwendigen Funktionen können nachlassen, die Flugtauglichkeit kann aber trotzdem gewährleistet sein, wie Reto Stocker, Chefarzt der AAA Alpine Air Ambulance, erläutert:
«Im Alter nimmt die Leistungsfähigkeit der Sinnesorgane ab, was aber mit Hilfsmitteln wie Brillen, Hörgeräten etc. recht gut kompensiert werden kann. Wenn jemand gesund ist, ist die Abnahme anderer Funktionen nicht so ausgeprägt, dass sie die Tätigkeit als Pilot bis zur regulären Pensionierung beeinträchtigt.
Fluglizenz
Erfüllt ein Pilot oder eine Pilotin die medizinischen Anforderungen nicht, kann die Fluglizenz sistiert oder entzogen werden.
In der Sekunde, in der wir das Interview beenden, schrillt der Alarm auf Abgottspons Handy. Der nächste Einsatz ruft! Auf geht’s im Laufschritt zum Helikopter und schon sitzt der Walliser im Cockpit des Rettungs-Helikopters Christoph Liechtenstein, und fliegt, nur einen Augenblick später durch den Balzner Himmel.
Blitzschnelles Handeln ist auch eine wichtige Eigenschaft, die der Rettungs-Helikopterpilot braucht, denken wir und machen uns auf den Heimweg.
Alle Informationen zu den Medicals, den fliegerärztlichen Untersuchungen für Pilotinnen und Piloten, finden Sie auf der Website des BAZL. Anforderungen Tauglichkeitsprüfungen (admin.ch)
Dieser Beitrag wurde ebenfalls in der September Ausgabe des Fachmagazins Cockpit publiziert Link